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„Ovartaci - crazy, queer& lovable“

die Entstehung einer Oper von einer Schrifstellerin und zwölf Komponisten

Herbst 2015: während einer Lesereise besucht die Schriftstellerin Tanja Langer die Sammlung Prinzhorn in Heidelberg, ein Museum für historische Werke aus psychiatrischen Anstalten sowie von Psychiatrieerfahrenen heute, und ist dort besonders fasziniert von Werken des dänischen Künstlers Ovartaci.
Tanja Langer wurde 1962 in Wiesbaden geboren, seit 1986 lebt sie in Berlin.
Sie studierte in München, Paris und Berlin Vergleichende Literaturwissenschaften,
Kunstgeschichte, Philosophie und Politikwissenschaft,
absolvierte eine Grundausbildung zur Fotografin
und zeigte 1990 an der Studiobühne der FU Berlin mit
„Othello“ ihre erste Inszenierung. Sie arbeitete als freie Regisseurin für
zeitgenössische Dramen an verschiedenen Berliner Theatern.
Ihr Stück „Hagazussa“ am Weiten Theater in Berlin-Hellersdorf
wurde 1993 vom Deutschen Kinder- und Jugendtheatertreffen
als eines der zehn besten deutschsprachigen Stücke ausgezeichnet.
Sie schrieb für den Tagesspiegel, WELT u.a., und veröffentlichete Erzählungen und Romane,
u.a. „Kleine Geschichte von der Frau, die nicht treu sein konnte“,
„Der Tag ist hell, ich schreibe dir“, sowie „Der Maler Munch“.
2008 wurde ihr Libretto für die Oper „Kleist“ von Rainer Rubbert uraufgeführt,
es folgten Lieder und andere Arbeiten für KomponistInnen.
Der dänische Künstler Ovartaci (1894-1985),  hinterließ ein großes, eigenwilliges Werk
und verbrachte dabei die meiste Zeit seines Lebens in der Psychiatrie.
Er wollte lieber eine Frau sein, entmannte sich deshalb in zwei Versuchen selbst und
wurde mit 63 Jahren schließlich zur Frau umoperiert
„Ovartaci“, wie sich Louis Marcussen selbst nannte,
und was  „Oberidiot“ bedeutet, war seine selbstgewählte Rolle
als König der Narren, wie Peer Gynt.
Als Junge in einfachen Verhältnissen groß geworden, wurde er Dekorateur;
bei einer Reise nach Argentinien experimentierte er mit Halluzinogenen,
die eine nachwirkende Psychose auslösten. Er war besessen von der Idee,
dass eine Kastration die Ängste vor seiner eigenen Aggression bannen könnte.
Er baute sich Figuren aus Pappmaché, wie die Pferdefrau,
in deren Maul er Süßigkeiten legte und deren Augen mit den langen Wimpern
er zur guten Nacht schloss und küsste. Er lernte Chinesisch,
das er für die kommende Weltsprache hielt, baute Flugkörper,
zeichnete und malte einzigartige Figuren.
Schon zu seiner Lebenszeit erhielt er weltweit Anerkennung für sein Schaffen.
April bis September 2016: Die Annäherung und beginnende künstlerische Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten der Persönlichkeit Ovartacis, den Themen seines Lebens und seines Werks  - seinem Außenseitertum als Intersexueller, seiner schizophrenen Erkrankung, seinen realen und künstlerischen Weltfluchten, seinem surrealen, bild- und erfindungsreichen künstlerischen Schaffen - fand in vier „Ovartaci  Vorkonzerten“ 2016 seine erste Manifestation. Jedes der Konzerte wurde von einem Vortrag eines themenspezifischen Fachdozenten eingeführt und fand an einem ausgewählten Ort Berlins statt; themennahe Lieder der Librettistin wurden einbezogen.
Konzert 0 - „Ovartaci - über die Idee zu einer Oper“ -  der Villa Oppenheim, Museumsviertel am Charlottenburger Schloss, Berlin Charlottenburg, die über eine reichhaltige Galerie Berliner Künstler verfügt; mit einem Vortrag der Librettistin Tanja Langer über das Projekt, mit Musik von Rainer Rubbert, Stefan Lienenkämper, Charlotte Seither und Samuel Tramin


Konzert I - „Was ist Außenseiterkunst? - Ist Kunst Außenseitertum?“ - ebenso in der Villa Oppenheim, die auch in unmittelbarer Nähe des Museums Scharf-Gerstenberg liegt, das neben surrealistischen Künstlern auch sogenannte Kunst von  Außenseitern zeigt, mit einem Vortrag des Psychiaters Dr. Wolfram Voigtländer vom Verein für Außenseiterkunst, mit Musik von Gabriel Iranyi, Eres Holz und Susanne Stelzenbach


Konzert II - „Die zahlreichen Transformationen des Ovartaci“ - in der Paul-Gerhardt-Kirche, Berlin-Schöneberg; mit einem Vortrag des Leiters der Prinzhorn-Sammlung für Kunst seelisch Erkrankter, Heidelberg, Dr. Thomas Röske, mit Musik von Helmut Zapf, Martin Daske, Samuel Tramin und Laurie Schwarz

Konzert III - „Der ungefilterte Zugang zum Unbewussten“ oder „Eine andere Art, die Welt zu empfinden“ - im historischen Gebäude der Alten Nervenklinik der Charité im Charité-Campus, Berlin-Mitte; mit einem Vortrag des Psychiaters Dr. Bernd Haslinger von der Charité, Berlin und einer Einführung in Leben und Werk Ovartacis von Tanja Langer, mit Musik von Mayako Kubo, Peter Köszeghy und Thomas Hennig


Januar 2017: Während sich die ersten Musiken oben genanter Konzert-Reihe noch nicht direkt auf die Person Ovartacis bezogen, sondern die zukünftigen Themenfelder der Oper in kammermusikalischer Form umkreisten, wurden im Januar 2017 die ersten fertigen Szenen der Oper in einer vorläufigen Fassung mit kleinem Ensemble in zwei Konzerten in der Werkstattt der Staatsoper unter den Linden im Schillertheater, Berlin vorgestellt, zusammen mit Psychiatrie- und Kunst bezogenen Liedern der Librettistin, „Die Kriminellen der Frau A.“.

Erste  Ovartaci - Szenen in der Staatsoper Berlin, Schillertheater-Werkstatt
„Die Kriminellen der Frau A. / Auf dem Weg zu Ovartaci“  am 11. und 12. Januar 2017 mit:

Ovartaci als Heizer im Frachtdampfer  (Rainer Rubbert)
Get it over - Smoking with the Chinese Manifestation (Martin Daske)
Puma, Blume, Schmetterling / 64 times i was born (Mayako Kubo)
Wanting to fly (Charlotte Seither)
Heiß ist das Blut, kalt ist der Stahl (Helmut Zapf)
Liebe (Susanne Stelzenbach)
Sleep well, my love (Stefan Lienenkämper)

Mai 2017, Aarhus/Dänemark;  August 2017, Holstebro/Dänemark: Mit diesem leicht modifizierten Programm reisten die Librettistin und die Komponistinnen für zwei Konzerte anlässlich der Feierlichkeiten zur Kulturhauptstadt Europas, gefördert vom Auswärtigen Amt, und auf Einladung des Museums Ovartaci sowie der Universität VIA, nach Aarhus / Dänemark. Dort fanden am 10. und 11. Mai zwei Aufführungen im Festsaal der Psychiatrie Aarhus, dem Lebensort Ovartacis in seiner zweiten Lebenshälfte, und in der Universität VIA in  Aarhus statt. In der Folge dieser erfolgreichen Konzerte wurde die Produktion im August 2017 als Festivalbeitrag nach Holstebro/Dänemark eingeladen sowie Tanja Langer zu einer Lesung aus „Der Maler Munch“ nach Aarhus.
Schnell entsteht der Plan, Ovartaci zum Zentrum einer Gemeinschaftsoper mit den  KomponistInnen des Atonale e.V., denen Schneuing und Rubbert vorstehen, zu wählen, ein Musiktheaterstück mit zwölf zeitgenössischen Komponisten zu gestalten, die mit, bei verwandter Ästhetik, dennoch sehr unterschiedlichen Stilen, der Diversizität und dem Farbenreichtum von Ovartacis Kunst- und Lebenswelt ein musikalisches Äquivalent bieten können.
Der Atonale e.V. ist ein 2009 gegründeter Verbund von zwölf namhaften
Berliner KomponistInnen,  die sich zusammengeschlossen haben,
um das zeitgenössische, künstlerische Musikschaffen zu fördern.
Aus der Überzeugung, dass ausschließlich Professionalität,
jenseits der akademischen Institutionen,
Neues befördern kann, haben sich die Mitglieder,
Mayako Kubo, Laurie Schwartz, Susanne Stelzenbach,
Martin Daske, Thomas Hennig, Eres Holz, Gabriel Iranyi,
Stefan Lienenkämper, Rainer Rubbert,Charlotte Seither,
Samuel Tramin,Helmut Zapf, allesamt langjährig renommierte,
vielfach mit Preisen ausgezeichnete
Berliner KomponistInnen der Neuen Musik zusammengefunden.
Nach einer einer anschließenden Dänemark-Reise, die sie für einen Besuch im Ovartaci-Museum in Aarhus nutzt, dem Lebensort Ovartacis, berichtet die Schriftstellerin, tief berührt von der nun noch intensiver erfahrenen Lebensgeschichte und Kunst Ovartacis, und bewaffnet mit einem umfangreichen Katalog, den Musikern Rainer Rubbert und Martin Schneuing, mit denen sie bereits bei einigen anderen Projekten zusammengearbeitet hatte, davon.
Titel: Die Kriminellen der Frau A. - Auf dem Weg zu Ovartaci. Ensembleproduktion. Text: Tanja Langer nach Motiven von Irini Amargiankaki und Louis Marcussen (Ovartaci). Komponisten: Rainer Rubbert, Gabriel Iranyi, Samuel Tramin, Martin Daske, Susanne Stelzenbach, Charlotte Seither u.a.. Festival: Berliner Atonale III mit Unterstützung der Staatsoper Berlin. Ort: Werkstatt des Schillertheaters. Urauffuehrung: 11. Januar 2017. Hier die zweite Vorstellung vom 12. Januar 17. No model release. Copyright: david baltzer/bildbuehne.de. Musiker und Saenger*Innen: Ramina Abdulla-Zade und Thorbjoern Bjoernsson, Alexandros Giovanos / Percussion, Claudia Herr, Ulrike Brand / CelloManuel Nickert, Martin Schneuing / Klavier, Martin Daske / Elektronik und Tanja Langer / Moderation u.a..
Juni 2018 Staatsoper unter den Linden Berlin, Neue Werkstatt: Die vorhandenen Szenen der Oper wurden erweitert um folgende Szenen aufgeführt:

Prolog: Ovartaci´s Testament (Thomas Hennig)
Tender Dreams / I´m a lady (Gabriel Iranyi)
Der Gang des Psychiaters durch den Klinkflur (Eres Holz)
Talking to Sinhu - Ovartaci macht Kunst (Samuel Tramin)

Die damit auf das abendfüllende Format angewachsenen Szenen der Oper in der Kammermusikfassung wurden während des vierten Atonale-Festivals in der Berliner Staatsoper unter den Linden, Neue Werkstatt am 15.Juni 2018 vor ausverkauftem Saal präsentiert.
Ausblick: Derzeit werden die fertigen Szenen von der Librettistin und den KomponistInnen für die szenische Realisation ausgearbeitet. Die Szenen werden stärker verzahnt, dramaturgische Übergänge verfeinert, Zwischenmusiken geschrieben und die instrumentale Besetzung auf ein größeres Ensemble umgeschrieben mit dem Ziel, die Oper in szenischer Form im Zeitraum 2019 / 2020 in Berlin und möglichst auch Dänemark auf die Bühne zu bringen.
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